Vom Gamer zum Täter
Wieder ein School Shooting in den USA
Die Frage nach dem „Warum“ sei die wohl quälendste Frage, die sich die Angehörigen und Freunde der Opfer des bewaffneten Überfalls auf die Marjory Stoneman Douglas High School in Florida immer wieder erneut stellen, aber auch Öffentlichkeit und Politik nach wie vor beschäftige.
"Am 14. Februar hat ein 19-jähriger ehemaliger Schüler der High School 17 Menschen erschossen.
US-Präsident Trump sieht eine Mitschuld bei gewalthaltigen Computerspielen und lässt damit die „Killerspieldebatte“ wieder aufflammen."
Mayr fragt weiters:
"Ist es aus wissenschaftlicher Sicht gerechtfertigt, Computerspiele als Problem und Ursache von Amokläufen darzustellen?"
Trotz jahrzehntelanger Forschung gäbe es zum Einfluss von „Killerspielen“ auf die Gewaltbereitschaft von Jugendlichen in der Psychologie keinen Konsens. Eine Studie von Whitney DeCamp und Christopher Ferguson aus dem Jahr 2017 zeige allerdings:
Nicht gewalthaltige Videospiele hätten den größten Einfluss auf Gewalt unter Jugendlichen, sondern vielmehr die Familie und das soziale Umfeld.
Die ForscherInnen untersuchten in einer sehr großen und ethnisch diversen Stichprobe von über 9000 Jugendlichen der achten und elften Klasse in den USA den Einfluss mehrerer Faktoren auf die Gewaltbereitschaft unter den Jugendlichen. Dabei erfassten die Wissenschaftler,
- wie oft die Jugendlichen gewaltlastige Videospiele spielten
- die Qualität der Beziehung zu ihren Eltern
- Gewalterfahrungen im familiären Umfeld und
- demographische Informationen wie Geschlecht,
- Ethnie und
- finanzielle Lage der Familie.
Zwar zeige sich bei ihren Berechnungen
- "ein Zusammenhang zwischen dem Konsum gewalthaltiger Computerspiele und tatsächlicher Gewaltbereitschaft",
- der Zusammenhang verschwinde jedoch, wenn andere Variablen berücksichtigt würden.
Die Forscher, schlussfolgerten so Mayr folglich
dass es viel wichtiger wäre, zu fragen,
- aus welchen Gründen Jugendliche eher zu gewalttätigen Spielen greifen und
- welche familiären Verhältnisse dazu führen, dass sie solche Spiele überhaupt spielen dürfen."
Dies sei nämlich die eigentliche Ursache, die für den vermeintlichen Zusammenhang von Videospielen und Gewalt verantwortlich sei. Damit sei das Spielen von Videospielen in einigen , wenn auch bei weitem nicht in allen Fällen mehr Ausdruck eines schwierigen familiären Umfelds, als die Ursache für Amokläufe. Die Erfahrung von realer Gewalt in der eigenen Familie beispielsweise habe einen deutlich stärkeren Einfluss auf die tatsächliche Gewaltbereitschaft von Jugendlichen als virtuelle Gewaltszenen in Computerspielen. Auf der anderen Seite seien unter anderem eine gute Eltern-Kind- Beziehung und die Fähigkeit der Eltern, Grenzen zu setzen, Faktoren, die das Gewaltrisiko senken.
Außerdem, so DeCamp und Ferguson, spriche auch die Kriminalitätsstatistik gegen einen kausalen Zusammenhang:
Während der Konsum gewalthaltiger Videospiele steige, sinke die Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen.
Darüber hinaus lege Studien sogar nahe, dass Videospiele auch ihre guten Seiten hätten:
- Einige schulen zum Beispiel problemlösendes Denken,
- andere fördern die Kooperation unter Jugendlichen aus unterschiedlichen sozialen Gruppen (Adachi & Willoughby, 2017).
Wer das Video „Violence in Video Games“ des Weißen Hauses gesehen habe – ein Zusammenschnitt besonders brutaler Szenen aus Videospielen – der werde allerdings nach wie vor ins Zweifeln geraten, ob sogenannte „Killerspiele“ nicht doch einen schädlichen Einfluss auf Jugendliche nehmen können.
Was das erwähnte Video problematisch mache:
- Es sei vom Weißen Haus gänzlich unkommentiert ins Netz gestellt.
- Für die Betrachtenden sei nicht ersichtlich, dass die gezeigten Szenen aus Spielen stammen, die ohnehin nicht für Jugendliche freigegeben seien.
- Inzwischen hab die Non-Profit-Organisation Games for Change auf das Schock-Video des Weißen Hauses geantwortet - mit einer deutlich positiveren Videobotschaft. Sie betonte, dass es in digitalen Spielen nicht immer nur um Gewalt gehe, sondern auch um Fantasie, Neugierde und Freundschaft (https://www.youtube.com/watch?v=pWZtbfBGjIg).
Nun ja, eine Studie zum Thema ist als Argumentationsgrundlage verständlich aber sicher nicht hinreichend für eine Entwarnung. Die Studie von Zipfel zu "Wirkungstheorien der Medien- und -Gewalt-Forschung", welche ich bei friedensnews.at im April besprochen habe geht das komplexe Thema schon etwas gründlicher an. Sie hat alle ernstzunehmenden Studien zum Thema durchackert und kommt schon zum Ergebnis, das Gewalt in Computerspielen ein Faktor ist bei dem auch angesetzt werden muss. Außerdem spielen entgegen er sozialromatischen Vorstellungen von Mayr bzw. Games for Change gerade die Kids
- mich schlechter Beziehung zu ihren Eltern und
- Gewalterfahrungen im familiären Umfeld
- meist männlichen Geschlechts,
- und mit Migrationshintergrund laut Amtsstatistik und
- präkärer finanzielle Lage der Familie
nach meinen Beobachtungen in Wiener Schulen bei mehr als 1000 Kindern und Jugendlichen schon ab 8 sogenannte 18+Killerspiele (PEGI bzw. USK 12+, 16+ 18+Spiele). Die Pro-Sozial Spielenden Kids sind in der Regel eine Minoriät die nicht selten als "Lulu" gemobbt werden, sogar in katholischen Privatschulen. Natürlich sind die Faktoren Elternbeziehung und Geschlecht, kultureller Hintergrund und soziale Lage der Familie auch wichtige Faktoren. Der Taschenspielertrick der "Liberalen" Gamingfans fliegt aber auf, wenn mann etwa die Studien des Kriminologen Pfeifer zum Thema heranzieht. Er rechnet auch alle anderen Faktoren sauber heraus, auf noch breiterer Datenbasis (N > 14000). Er und Baier u.a kamen schon 2006 zum Ergebnis, dass Mediengewalt einer der stärksten Faktoren für die herausbildung von männlicher Mehrfachgewalttäterschaft ist. Mediengewalt ist für fast 40 % für die Zustimmung zu Gewaltlegitimierende Männliche Normen (GLMN) zuständig und diese GLMN wiederrum (22%) + in Zusammenwirken mit Mediengewaltkonsum (10 %) beeinflusst stark die Wahl von Gewalttätigen Freunden.
GLN 11% + Mediengewaltkonsum 6% + 35% Gewalttätige Freunde =
= 52 % unmittelbare Gesamtwirkung auf die Karriere als männlicher Mehrfachgewalttäter
An der soziale Lage der Familien können Menschen die mit Kids arbeiten (wie Lehrerinnen) meist herzlich wenig ändern, die Eltern die ihre Jungs prügeln bekommen meist nicht einmal Sozialarbeiter in den Griff. Wenn Problembären in Schule kommen, dann wäre schon viel geholfen, wenn sie nicht die ganze Nacht Call of Duty spielen, weil dann sich sie schwerlich zu Stärken und wenn dann noch die Hüter der Freiheit und der Vogelstraußpolitik die preisen, dass man bei Conterstrike auch was lernen kann, wenn man es im richtigen Alter spielt etc. ... dann kommt man vor lauter Verkürzungen wie Trump nicht nach den Blödsinn zu widerlegen. Und dann wäre da noch Simpsons Paradox zu erwähnen, aber lesen sie selber nach warum viele Studien Schrott sind.
Wenn Mayr schließt, vielleicht solle die Psychologie dieser Botschaft folgen und nach jahrzehntelanger Forschung zu „Killerspielen“ die Frage in den Forschungsfokus rücken, ob und wie Videospiele zu einer guten Entwicklung unserer Kinder beitragen können, dann finde ich das gut und lächle milde.
Quellen:
Adachi, P. J. C. & Willoughby, T. (2017). The Link Between Playing Video Games and Positive Youth Outcomes. Child Development Perspectives, 11(3), 202-206.
DeCamp, W. & Ferguson, C. J. (2017). The Impact of Degree of Exposure to Violent Video Games, Family Background, and Other Factors on Youth Violence.
Bildquelle:
Glenn Carstens-Peters via unsplash: https://unsplash.com/photos/0woyPEJQ7jc
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